OGH-Entscheidung vom 23.8.2018, 4 Ob 69/18b

Sachverhalt:

Der Kläger ist ein international tätiger Hedgefondsmanager. In der britischen Presse trat er wiederholt als einer der vermögendsten Hedgefondsmanager des Vereinigten Königreichs in Erscheinung. Der Öffentlichkeit in Österreich ist er vorrangig durch großzügige Spenden an Wissenschafts- und Kunsteinrichtungen sowie Bildungsprojekte bekannt. Der Kläger ist Eigentümer einer Beteiligungsgesellschaft, die im Jahr 2011 eine Liegenschaft um 35 Millionen Euro erwarb. Er nützt die Liegenschaften zu Wohnzwecken mit seiner Familie.

Der Beklagte ist Leiter der Wirtschaftsredaktion eines Wiener Nachrichtenmagazins. Darin verfasste er im Jahr 2016 einen Artikel mit dem Titel „Die Hausbesorger“, in dem er über den Liegenschaftskauf und das Zivilverfahren zwischen dem Kläger und dem Maklerunternehmen berichtete, gegen das der Kläger zuvor ein Verfahren wegen einer Provisionszahlung infolge des Liegenschaftskaufs führte und verlor. Die Urteile erster und zweiter Instanz dieses Verfahrens hatte der Beklagte vom Anwalt des Maklerunternehmens (mit Zustimmung der Mandantin) erhalten.

Der Beklagte nannte im Artikel die Adresse der gegenständlichen Liegenschaft ausdrücklich „zum Schutz der Privatsphärenicht, sondern beschrieb die Liegenschaft detailliert und nannte auch Urgroßvater und Großvater des Klägers namentlich.

Bei Eingabe des Namens des Großvaters in eine Internet-Suchmaschine, gelangt man unter anderem zu einer Datenbank, über die Lebensdaten, Firmensitz und -name sowie die Wohnadresse des Großvaters des Klägers (letztere identisch mit jener der vom Kläger angekauften Liegenschaft) aufrufbar sind.

Der Kläger klagte auf Unterlassung. Zum einen sollte es der Beklagten untersagt werden die Wohnadresse und/oder die Wohnverhältnisse zu verbreiten, zum anderen Umstände im Zusammenhang mit dem Erwerb der Liegenschaft zu veröffentlichen.

Entscheidung:

Das Erstgericht gab dem ersten Punkt der Klage statt. Das Berufungsgericht gab der Klage zur Gänze statt. Der OGH wies die Klage zur Gänze ab. Aus der Begründung:

Als Persönlichkeitsrecht im Sinn von § 16 ABGB genießt das Recht auf Achtung der Geheimsphäre Schutz gegen Eingriffe Dritter. Für die Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Eingriffes in die rechtlich geschützte Privatsphäre bedarf es in der Regel einer Interessenabwägung, bei der die Interessen des Betroffenen am Schutz der Privatsphäre auf der einen Seite und rechtlich geschützte Interessen des handelnden und der Allgemeinheit (zB Meinungsfreiheit, Informationsinteresse) auf der anderen Seite gegenüberzustellen sind. Lediglich der höchstpersönliche Lebensbereich als Kernbereich der geschützten Privatsphäre, wie Gesundheit, Sexualleben und das Leben in und mit der Familie, ist einer den Eingriff rechtfertigenden Interessenabwägung regelmäßig nicht zugänglich.

Der OGH kam nach Berücksichtigung einschlägiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu dem Ergebnis, dass das Klagebegehren unberechtigt ist. Im beanstandeten Artikel wurden weder Adresse noch in unzulässiger Weise sonstige „Wohnverhältnisse“ des Klägers veröffentlicht. Die Angabe der Lage und Art der Immobilie (Nobelbezirk, repräsentative Villa, malerischer Park) lässt allein den Schluss zu, dass es sich – wie bei einem Kaufpreis von 35 Mio EUR auch nicht anders zu erwarten – um eine Luxusimmobilie handelt; weitere Rückschlüsse auf die Persönlichkeit des Klägers sind damit nicht möglich, sodass ein Eingriff in den geschützten Kernbereich dadurch nicht vorliegt. In einem solchen Fall besteht zwar ebenfalls ein berechtigtes Interesse des Klägers, dass die (wenngleich nur ungefähre) Lage und weitere Angaben zur von ihr bewohnten Villa nicht öffentlich gemacht werden (Art 8 EMRK). Dieses Interesse ist aber mit dem ebenfalls grundrechtlich geschützten Interesse des Beklagten (Art 10 EMRK) an der Berichterstattung abzuwägen.

Der Beklagte hat bewusst die Wohnadresse des Klägers im Artikel nicht genannt und zur Illustration auch bloß ein Symbolfoto verwendet. Die Angabe des Namens eines der Voreigentümer erfüllte den Zweck, die Geschichte der Liegenschaft sowie die familiäre Nahebeziehung des Klägers zu ihr nachzuzeichnen. Dass dem Artikel Informationen entnommen werden konnten, die bei geschickter Abfrage mittels Internet-Suchmaschinen das Auffinden der Liegenschaftsadresse ermöglichten, ist dem Bestehen moderner Informationstechnologien geschuldet und kann nicht dazu führen, dem Beklagten als Verfasser einer rechtmäßigen Wortberichterstattung in seiner journalistischen Arbeit inhaltliche Beschränkungen aufzuerlegen.

Der Kläger hat die Möglichkeit interessierter Leser zur weiteren Recherche ebenso hinzunehmen wie den Umstand, dass auch im öffentlichen Grundbuch die Namen von Liegenschaftseigentümern ersichtlich sind, wobei im Fall von juristischen Personen deren Organe und im Regelfall auch die Gesellschafter im (ebenfalls öffentlichen) Firmenbuch eingesehen werden können.

Die Interessenabwägung führte zu dem Ergebnis, dass das Persönlichkeitsrecht des Klägers (Art 8 EMRK) hinter das Recht des Beklagten und der Presse aus Art 10 EMRK zurückzutreten hat.

Der Kläger ist aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit, seines medialen Auftretens in der britischen Presse, seiner öffentlichkeitswirksamen großzügigen Spendertätigkeit im Inland und des Umstands, dass er eine (geschichtsträchtige) Liegenschaft aus ehemaligem Familienbesitz um einen (außergewöhnlichen) Kaufpreis erworben hat, als Person des öffentlichen Lebens zu beurteilen.

Dieser Kauf ist in Verbindung mit der beruflichen Tätigkeit des Klägers als Hedgefondsmanager und seinem Verhalten im Zusammenhang mit der – vom Gericht als berechtigt erkannten – Provisionsforderung des Maklerunternehmens geeignet, ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit zu begründen. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass im Gerichtsverfahren eine Person von hohem Bekanntheitsgrad, die von einer politischen Partei für ein hohes öffentliches Amt namhaft gemacht wurde, als Zeugin für den Standpunkt des Klägers einvernommen worden ist, deren Aussage das Gericht allerdings als unglaubwürdig beurteilt hat.

Aufgrund dieser Umstände ist der Artikel geeignet, zu einer Debatte von allgemeinem öffentlichen Interesse beizutragen. Er spricht nämlich als gesellschaftlich relevantes Thema an, dass eine vermögende Person, die durch Spenden zugunsten von Forschungsinstituten und Kulturinstitutionen großzügig auftritt, im Umgang mit privaten Geschäftspartnern Zahlungspflichten zu vermeiden versucht. Weiters wird thematisiert, dass eine Person, die über ein hohes Privatvermögen verfügt, auch für den Kauf ihrer privaten Wohnimmobilie eine Eigentümerstruktur wählt, die aus mehreren Gesellschaften mit Sitz in „Steuerparadiesen“ besteht; damit wird die Frage der persönlichen Integrität von auf den internationalen Finanzmärkten äußerst erfolgreichen Akteuren angesprochen. Letztlich ist der Ausgang gerichtlicher Verfahren, an denen prominente, vermögende oder politisch tätige Personen beteiligt sind, von öffentlichem Interesse.