OGH-Entscheidung vom 24.5.2018, 6 Ob 16/18y

Sachverhalt:

Die Kläger sind Eigentümer einer Liegenschaft, die nur über einen asphaltierten Zufahrtsweg (Sackgasse) auf der Liegenschaft der Beklagten erreicht werden kann. Zu Gunsten des Grundstücks der Kläger besteht ein im Grundbuch einverleibtes Dienstbarkeitsrecht des Gehens und Fahrens am Grundstück der Beklagten. Wegen des Parkens und Abstellens von Fahrzeugen durch die Kläger und deren Mitbewohner sowie Besucher auf dem Grundstück der Beklagten, sind zahlreiche Gerichtsverfahren zwischen den Parteien anhängig.

Weil sich die Kläger und ihre Mitbewohner nicht an Urteile hielten und weiterhin auf dem Grundstück der Beklagten parkten, gingen die Beklagten mit Unterlassungsexekution gegen die Kläger vor. Sie erwirkten gegen diese Beugestrafen. Die Kläger und die Enkelin brachten daraufhin drei Impugnationsklagen gegen die Beklagten ein. Darin bestritten sie ein titelwidriges Verhalten im Wesentlichen mit der Behauptung, sie hätten ihre Fahrzeuge nur kurzfristig zum Be- und Entladen bzw zum Aus- und Einsteigenlassen von Personen auf dem Grundstück der Beklagten abgestellt.

Um (zukünftige) Verstöße der Kläger eindeutig nachweisen zu können, installierten die Beklagten eine Videoüberwachungsanlage mit zwei Videokameras, die eine identifizierende und dauernde Überwachung ermöglichen.

Die Kläger klagten auf Entfernung der Videoüberwachungsanlage.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht wiesen die Klage ab.

Der OGH hob die Urteile der Vorinstanzen jedoch auf, mit der Begründung, dass die Kläger durch die permanente Videoüberwachung des Grundstücks der Beklagten in ihrem Persönlichkeitsrecht und in ihrem Grundrecht auf Datenschutz verletzt werden, weil die Videoüberwachungmangels eines in § 50a Abs 4 DSG genannten Grundes nicht zulässig ist.

Gemäß § 50a Abs 4 DSG ist ein Betroffener „durch eine Videoüberwachung ausschließlich dann nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen“ verletzt, wenn

1. bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, das überwachte Objekt oder die überwachte Person könnte das Ziel oder der Ort eines gefährlichen Angriffs werden, oder

2. unmittelbar anwendbare Rechtsvorschriften des Völker- oder des Gemeinschaftsrechts, Gesetze, Verordnungen, Bescheide oder gerichtliche Entscheidungen dem Auftraggeber spezielle Sorgfaltspflichten zum Schutz des überwachten Objekts oder der überwachten Person auferlegen, oder

3. sich die Überwachung in einer bloßen Echtzeitwiedergabe von das überwachte Objekt/die überwachte Person betreffenden Ereignisse erschöpft, diese also weder gespeichert (aufgezeichnet) noch in sonst einer anderen Form weiterverarbeitet werden (Echtzeitüberwachung), und sie zum Zweck des Schutzes von Leib, Leben oder Eigentum des Auftraggebers erfolgt.

Videoüberwachungen unterliegen wegen des erhöhten Gefährdungspotentials im Hinblick auf den oft großen Betroffenenkreis und die Verwendung potenziell sensibler Daten – mit Ausnahmen – der Vorabkontrolle durch die Datenschutzbehörde.

Nach der Entscheidungspraxis der Datenschutzbehörde ist eine Videoüberwachung zur Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit nicht zulässig, weil die Gewinnung von Beweismitteln für einen Zivilrechtsstreit unter keinen der gesetzmäßigen Gründe für einen solchen Eingriff in das Geheimhaltungsrecht des Betroffenen falle, die in den § 50a Abs 3 und 4 DSG taxativ (arg: „ausschließlich“) aufgezählt seien, sodass für eine allgemeine Interessenabwägung in diesem Fall kein Platz bleibe; im Fall eines bloßen Beweisnotstands könne vom Vorliegen eines Notstands iSd § 1306a ABGB keine Rede sein, setze dieser doch nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine „gefährliche Situation“ voraus.

Schon vor der Regelung der Videoüberwachung durch die DSG-Novelle 2010 stützte der OGH die Unzulässigkeit privater Videoüberwachung auf den Persönlichkeitsschutz des § 16 ABGB. Die Videoüberwachung der Beklagten greift unstrittig in die absolut geschützte Geheimsphäre der Kläger und der anderer Betroffener ein, wodurch die Rechtswidrigkeit indiziert ist. In der früheren OGH-Entscheidung 8 Ob 108/05y wurde ausgesprochen, dass die Erlangung eines Beweismittels in einem Zuständigkeitsstreit in einem Exekutionsverfahren durch eine Videoüberwachung einem schützenswerten Interesse dient, das den Eingriff rechtfertigt; die angestrebte Information diene einem legitimen Zweck. Nach Auffassung der Vorinstanzen hat sich an der Bejahung dieses Rechtfertigungsgrundes durch die Regelung der Videoüberwachung im DSG nichts geändert, weil eine Videoüberwachung gemäß § 50a Abs 2 DSG zum Schutz des Eigentums einschließlich der Beweissicherung vorgenommen werden könne. Der OGH folgte dieser Ansicht nicht.

Eine Beweissicherung iSd § 50a Abs 2 DSG ist ein rechtmäßiger Zweck einer Videoüberwachung, wenn sie mit einem der in dieser Gesetzesstelle genannten Zwecke (Schutz des überwachten Objekts; Schutz der überwachten Person; Erfüllung rechtlicher Sorgfaltspflichten) verbunden ist und ein Betroffener durch die Videoüberwachung nicht in seinen schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen verletzt ist. Zu den in § 50a Abs 4 DSG nach seinem klaren Wortlaut taxativ (arg: ausschließlich) aufgezählten Gründen, die eine private Videoüberwachung rechtfertigen, gehört die Erlangung von Beweismitteln in einem Zivilrechtsstreit nicht.

Da der OGH Bedenken im Hinblick auf die Formulierung des Klagebegehrens hatte, wurde das Verfahren zurück an die erste Instanz verwiesen.