EuGH-Urteil vom 30.5.2018, Rechtssachen C‑85/16 P und C‑86/16 P

Sachverhalt:

Herr Kenzo Tsujimoto aus Japan meldete den Wortlaut „KENZO ESTATE“ als internationale Registrierung mit Benennung der Europäischen Union für die Waren „Weine; alkoholische Fruchtgetränke; westliche Liköre (allgemein)“ in Klasse 33 an. In einer zweiten Anmeldung waren auch verschiedene Lebensmittel, Dienstleistungen in Zusammenhang mit Wein und Gästebewirtung umfasst.

Das Modeunternehmen KENZO erhob Widerspruch gegen diese Markenanmeldung. KENZO ist Inhaberin einer älteren Marke in den Klassen 3, 18 und 25 für (zusammengefasst) Kosmetika, Lederwaren und Bekleidung.

Entscheidung:

Der Widerspruch wurde zunächst abgewiesen. Die Beschwerdekammer des EUIPO gab jedoch der Beschwerde von KENZO (in Bezug auf beinahe alle Waren und Dienstleistungen) statt. Nach Auffassung der Beschwerdekammer waren die drei kumulativen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 im vorliegenden Fall erfüllt:

  1. Die einander gegenüberstehenden Marken seien für einen nicht zu vernachlässigenden Teil des maßgeblichen Publikums sehr ähnlich.
  2. Kenzo habe die Bekanntheit der älteren Marke nachgewiesen.
  3. Es sei sehr wahrscheinlich, dass die neu angemeldete Marke sich in den Bereich der Sogwirkung der bekannten älteren Marke begeben würde, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und um ohne finanzielle Gegenleistung den vom Inhaber dieser Marke zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung des Markenimage betriebenen Werbeaufwand auszunutzen.

Die Beschwerdekammer gelangte daher zu dem Ergebnis, es bestehe die Gefahr, dass die Nutzung des beanspruchten Schutzes für die internationale Registrierung in der Union die Wertschätzung der älteren Marke im Sinne des Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 in unlauterer Weise ausnutzen würde.

Das EuG wies die Klage von Herrn Tsujimoto ab.

Der EuGH bestätigte zunächst die Ausführungen der Vorinstanz, wonach das Element „ESTATE“ in „KENZO ESTATE“ zum einen nicht unterscheidungskräftig sei, und zum anderen, dass der Verbraucher grundsätzlich dem Anfang eines Zeichens größere Aufmerksamkeit schenke als dessen Ende und das maßgebliche Publikum sich auf das erste Element, d. h. den kennzeichnungskräftigeren Begriff „KENZO“, konzentriere. Die gegenüberstehenden Marken seien sich als Ganzes betrachtet daher sehr ähnlich.

Es wurde von den Vorinstanzen auch richtig beurteilt, ob die angemeldete Marke die Wertschätzung der älteren Marke in unlauterer Weise ausnutzt.

Zum Rechtsmittelgrund, wonach  kein „rechtfertigender Grund nachgewiesen worden“ sei, führte Herr Tsujimoto aus, dass die Vorinstanzen nicht ausreichend berücksichtigt hätten, dass in der Zusammensetzung der Marke „KENZO ESTATE“ das Element „KENZO“ der Vorname des Rechtsmittelführers sei.

Der EuGH führte hierzu zunächst aus, dass bekannten Marken weitreichender Schutz gewährt wird. Die spezifische Voraussetzung für diesen Schutz besteht in einer Benutzung eines mit einer eingetragenen Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens, die die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung dieser Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Dennoch kann sich der Inhaber eines einer bekannten Marke ähnlichen Zeichens auf einen „rechtfertigenden Grund“ berufen, was Ausdruck des allgemeinen Ziels der maßgeblichen Verordnung ist, ein Gleichgewicht herzustellen zwischen dem Interesse des Inhabers einer Marke an der Wahrung ihrer Hauptfunktion und dem Interesse eines Dritten, im geschäftlichen Verkehr ein solches Zeichen zur Bezeichnung der von ihm vermarkteten Waren oder Dienstleistungen zu benutzen. Dass sich ein Dritter auf einen rechtfertigenden Grund für die Benutzung eines einer bekannten Marke ähnlichen Zeichens beruft, kann damit nicht dazu führen, dass ihm die mit einer eingetragenen Marke verbundenen Rechte zuerkannt werden, aber zwingt den Inhaber der bekannten Marke dazu, die Benutzung des ähnlichen Zeichens zu dulden.

Der Umstand allein, dass der Begriff „KENZO“ in der Marke „KENZO ESTATE“ dem Vornamen des Klägers entspricht, ist aber irrelevant für die Frage, ob die Benutzung dieses Begriffs ein rechtfertigender Grund ist, da die Prüfung der Abwägung der betroffenen Interessen die Hauptfunktion der älteren Marke (die Herkunft des Erzeugnisses zu gewährleisten) nicht beeinträchtigen darf.

Der EuGH wies das Rechtsmittel daher zur Gänze zurück.