OGH-Entscheidung vom 21.03.2018, 9 Ob 46/17f

Sachverhalt:

Die Streitparteien lebten von 2009 bis 2013 in einer Lebensgemeinschaft. 2010 kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Die Mutter brachte einen 2005 geborenen Sohn in die Beziehung mit ein. Nach der Trennung wurde eine Kontaktrechtsvereinbarung hinsichtlich der gemeinsamen Tochter getroffen, die eine wöchentliche Übernachtung sowie einmal monatlich ein verlängertes Wochenende vorsah. Der Sohn begleitete seine Schwester bei diesen besuchen. Der Antragsteller hat eine enge Beziehung zu seinem „Stiefsohn“; dieser bezeichnet ihn als „Papa“. Um auch Zeit mit ihm alleine verbringen zu können, beantragte der Antragsteller die Einräumung eines eigenen Kontaktrechts zu seinem „Stiefsohn“, an anderen (weiteren) zwei Tagen sowie tägliche Telefonate zu einer festgelegten Uhrzeit.

Entscheidung:

Das Erstgericht räumte dem Antragsteller zwar ein Kontaktrecht zum Minderjährigen ein, das dem zur leiblichen Tochter entspricht, jedoch nicht darüber hinaus.

Das Rekursgericht lies den Revisionsrekurs des Antragstellers zu, weil zur Frage der Kontaktrechtsausübung durch Dritte im Sinn des § 188 Abs 2 ABGB keine Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen vorliege.

Der OGH gab dem Revisionsrekurs teilweise Folge. Aus der Begründung:

Neben Eltern und Großeltern können auch „Dritte“ wichtige Bezugspersonen für das Kind sein. Nach § 188 Abs 2 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 hat das Gericht, wenn persönliche Kontakte des minderjährigen Kindes mit einem hiezu bereiten Dritten dem Wohl des Kindes dienen, unter anderem auf Antrag des Dritten, sofern dieser zu dem Kind in einem besonderen persönlichen oder familiären Verhältnis steht oder gestanden ist, die zur Regelung der persönlichen Kontakte nötigen Verfügungen zu treffen. Die Neuregelung des § 188 Abs 2 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 räumt daher bestimmten „Dritten“ ein Antragsrecht auf Regelung der persönlichen Kontakte mit dem Kind ein. Voraussetzung ist nicht mehr, dass ohne diese Regelung das Kindeswohl gefährdet wäre, sondern es genügt, dass die persönlichen Kontakte dem Kindeswohl dienen.

Das in § 187 Abs 1 Satz 1 ABGB idF KindNamRÄG 2013 normierte Kontaktrecht des Kindes und jeden Elternteils auf regelmäßigen und den Bedürfnissen des Kindes entsprechenden persönlichen Kontakt ist ganz allgemein anzuerkennen als ein unter dem Schutz des Art 8 EMRK stehendes Grundrecht der Eltern-Kind-Beziehung. Die Aufrechterhaltung des Kontakts zu beiden Elternteilen ist grundsätzlich für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes erforderlich und liegt daher im wohlverstandenen Interesse des Kindes, weshalb dazu auch der andere Elternteil beizutragen hat. Die persönlichen Kontakte müssen eine gewisse Intensität haben, um ihren Zweck, der Herstellung eines Naheverhältnisses gerecht zu werden. Das Gesetz sieht nunmehr auch ausdrücklich vor, dass die Regelung möglichst sowohl Zeiten der Freizeit als auch die Betreuung im Alltag des Kindes umfassen soll. Dadurch soll vermieden werden, dass der das Kind nicht hauptsächlich betreuende Elternteil in die Rolle eines „Besuchers“ gedrängt wird; andererseits soll damit aber auch eine Entlastung des sonst den Alltag des Kindes bewältigenden Elternteils einhergehen. Für das Kontaktrecht zwischen den Kindern und ihren Großeltern gilt § 187 ABGB entsprechend, wenngleich das Recht der Großeltern auf persönlichen Verkehr mit ihren Enkeln schwächer ist als jenes der Eltern. Ob und inwiefern es ihnen zusteht, hängt in erster Linie vom Wohl des Kindes ab, dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen.

Hat der Dritte etwa als Lebensgefährte des betreuenden Elternteils für das Kind de facto Elternersatzfunktion gehabt, kann nach einer Trennung eine Annäherung des Kontaktrechts an elterliche Kontaktrechte geboten sein, insbesondere bei faktischer Abwesenheit des rechtlichen/biologischen Vaters bzw der rechtlichen/biologischen Mutter.

Die Rechtsstellung des „Dritten“ entspricht dessen ungeachtet nicht der eines Elternteils, da ihm weder die aus einer solchen Position resultierenden Rechte noch die damit verbundenen Pflichten zukommen. Außerdem kann die Beiziehung eines Dritten gegen den Willen des obsorgeberechtigten Elternteils stets die Gefahr einer nachhaltigen Störung des Familienlebens mit sich bringen, welche letztlich auch zu Lasten des Kindes geht.

Im konkreten Fall war für den OGH maßgeblich, dass der Antragsteller für den Minderjährigen die Rolle des Vaters einnimmt. Zum rechtlichen (und biologischen) Vater besteht kein Kontakt. Diese Bedeutung des Antragstellers für den Minderjährigen wird von der Mutter auch wahrgenommen und respektiert. Für eine Ausweitung sprach der Wunsch des Minderjährigen, auch alleine Zeit mit dem „Papa“ zu verbringen. Gegen die vom Antragsteller begehrte Ausweitung sprach das dadurch entstehende Ungleichverhältnis zum Kontaktrecht zum leiblichen Kind und damit verbunden die Gefahr einer Störung des familiären Friedens sowie die Aufspaltung in die Funktionen des „Papas“, mit dem (überwiegend) die Freizeit verbracht werden kann, und der Mutter, die für die Erfüllung der Pflichten steht. Dem Antragsteller wurde bei den monatlichen Besuchskontakten insofern ein zusätzlicher Samstag eingeräumt , den er alleine mit dem Stiefsohn verbringen kann.