OGH-Entscheidung vom 27.2.2018, 9 ObA 94/17i

Sachverhalt:

Die Beklagte verwendet im Rahmen von Verkaufsschulungen und zur Rekrutierung von Führungskräften ein bestimmtes (extern zugekauftes) Testverfahren zur Beurteilung der Persönlichkeit. Dabei handelt es sich laut der Beklagten um ein werteorientiertes Verfahren, das in die Tiefe der Persönlichkeit geht (Wertehaltung, Schicksalsschläge, das berufliche und gesamthafte Selbst, Wertedimension etc) und nicht um einen Verhaltenstest. In weiterer Folge werden computerunterstützt Abweichungen zu einer mathematischlogischen Grundeinstellung ermittelt.

Der Betriebsrat erteilte zur Verwendung dieses Testsystems keine Zustimmung.

Entscheidung:

Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren wiederum Folge. Der Oberste Gerichtshof wies die Revision der Beklagten zurück. Aus der Begründung:

Bei dem von der Beklagten verwendeten Testverfahren handelt es sich grundsätzlich um ein § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG unterliegendes System zur Beurteilung von Arbeitnehmern.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass dieses Bewertungsverfahren, bei dem ausschließlich „soft skills“ wie Neigungen, Interessen und andere Persönlichkeitsmerkmale wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz und höchstpersönliche „Werte“, nicht aber „hard skills“, also die Fachkompetenz, abgefragt werden, massiv die Persönlichkeit der getesteten Personen berührt und nicht durch überwiegende berufliche Interessen gerechtfertigt ist.

Der OGH hielt diese Beurteilung nicht für korrekturbedürftig. Auch wenn die der Beurteilung zugrundeliegenden Testergebnisse dem Arbeitgeber nicht bekannt werden, enthält die ihm zugehende Auswertung, von deren Validität die Beklagte offenbar ausgeht, eine umfassende Beurteilung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, wobei offen bleibt, welche Bedeutung den erhobenen Kriterien für die betriebliche Verwendung überhaupt zukommt.

Die Auswertung mag zwar nicht zum Personalakt gegeben werden, kommt dem Arbeitgeber aber zu und ist weitere fünf Jahre lang beim extern beauftragten Unternehmen abrufbar. Da sie nach Angaben der Beklagten zu 15–20 % für die Auswahl von Führungskräften relevant ist, stellt sie zwar nicht das ausschließliche, aber ein jedenfalls gewichtiges Beurteilungskriterium dar.

Aufgrund der großflächigen Verwendung der Tests ist zudem von einem generellen Verfahren auszugehen, nicht bloß von individuellen Maßnahmen. Derartige Systeme zur Beurteilung von Arbeitnehmern des Betriebs, die nicht durch die betriebliche Verwendung gerechtfertigt sind, bedürfen aber nach § 96a Abs 1 Z 2 ArbVG der Zustimmung des Betriebsrats (in Form einer Betriebsvereinbarung). Auf die im Einzelfall freiwillige Teilnahme an den Tests durch die Arbeitnehmer kommt es dabei nicht an.