OGH Entscheidung vom 23.1.2018, 4 Ob 198/17x

Sachverhalt:

In einer Tageszeitung wurde am 13. 5. 2017 ein Artikel mit der Schlagzeile „F***** ließ im Häfen seinen Namen ändern“ veröffentlicht. Ebenfalls am 13. 5. 2017 veröffentlichte die Beklagte in ihrer Tageszeitung einen inhaltsgleichen Artikel. Die Ausgabe der Zeitung der Beklagten erschien in Teilen Österreichs bereits am 12. 5. 2017 als eine am Vorabend erhältliche „Abendausgabe“, die jedoch das Erscheinungsdatum des Folgetags trug.

Am 17. 5. 2017 veröffentlichte die Beklagte in ihrer Tageszeitung einen Artikel, in dem es auszugsweise lautete: „Wie die [Tageszeitung der Beklagten] zuerst berichtete, hat sich der inhaftierte Inzestvater […] ganz offiziell umbenannt …“

Die Klägerin sah darin eine unrichtige zeitliche Spitzenstellung der Berichterstattung, beantrage die Erlassung einer einstweiligen Verfügung und klagte u.a. auf Unterlassung.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beatragen EV; das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Der OGH hielt den Revisionsrekurs der Beklagten gegen diese Entscheidung jedoch für zulässig und berechtigt. Aus der Entscheidung:

Beim Irreführungstatbestand ist zu prüfen,

  1. wie ein durchschnittlich informierter und verständiger Interessent für das Produkt, der eine dem Erwerb solcher Produkte angemessene Aufmerksamkeit aufwendet, die strittige Ankündigung versteht,
  2. ob dieses Verständnis den Tatsachen entspricht, und ob
  3. eine nach diesem Kriterium unrichtige Angabe geeignet ist, den Kaufinteressenten zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er sonst nicht getroffen hätte.

Diese Prüfung führte im vorliegenden Fall zu folgendem Ergebnis:

Die Behauptung der Beklagten, ihre Zeitung habe zuerst berichtet, ist objektiv richtig, zumal der Leser die Nachricht tatsächlich zuerst in der Abendausgabe der Zeitung der Beklagten lesen konnte und die Klägerin erst am nächsten Tag berichtete. Dass die Abendausgabe der Beklagten das Datum des nächsten Tags trug, ändert nichts an der Tatsache, dass der Leser jedenfalls zuerst von der Zeitung der Beklagten informiert wurde. Die von der Klägerin beanstandete Aussage der Beklagten ist daher wahr.

Aber auch dann, wenn die beanstandete Aussage bei isolierter Betrachtung wahr ist, kann das Verschweigen wesentlicher Umstände eine irreführende Geschäftspraktik begründen. Der OGH prüfte daher, ob die Adressaten des Zeitungsberichts ohne den Hinweis, dass die frühere Berichterstattung (nur) in der Abendausgabe des Vortags erfolgte, annehmen mussten, die Beklagte habe die „Story“ schon in der Morgenausgabe des Vortags gebracht, bzw ob sie unter zuerst einen Zeitvorsprung von einem ganzen Tag sehen mussten. Nach allgemeinem Verständnis setzt die Aussage, eine Zeitung habe zuerst berichtet, keinen Vorsprung von 24 Stunden voraus, sondern umfasst auch den Zeitraum zwischen Abend- und Morgenausgabe. Das Verschweigen des (wahren) Umstands, dass der Vorsprung darin begründet lag, dass die Zeitung der Beklagten schon in ihrer Abendausgabe und noch vor dem Erscheinen anderer Medien am nächsten Tag berichtete, ist deshalb nicht geeignet, beim angesprochenen Publikum einen unrichtigen Eindruck zu erwecken und ist deshalb keine irreführende Geschäftspraktik.

Die beanstandete Aussage der Beklagten erfüllt daher nicht den Irreführungstatbestand des § 2 UWG.