OGH-Entscheidung vom 24.10.2017, 4 Ob 121/17y

Sachverhalt:

Die Antragstellerin ist eine Verwertungsgesellschaft. Sie nimmt die Rechte der von ihr vertretenen Tonträgerhersteller an ihren weltweit produzierten Musikaufnahmen sowie die Rechte der ausübenden Künstler an ihren Darbietungen treuhändig wahr. In Österreich vertritt die Antragstellerin ein umfassendes nationales und internationales Repertoire.

Die Antragsgegnerinnen sind Anbieter von mobilen Internetanschlüssen in Österreich und ermöglichen ihren Kunden mit Endgeräten (wie zB Smartphones und Tablets) den Zugang zum World Wide Web.

In diesem Verfahren war fraglich, ob Urheberrechtsverletzungen im Internet mittels BitTorrent-Plattformen, auf denen selbst zwar keine urheberrechtlich geschützten Werke zum Abruf gespeichert sind, deren Dateien (Torrents) aber als Wegweiser dienen und es Nutzern ermöglichen, urheberrechtlich geschützte Werke auszutauschen und abzurufen, mit Sperrverfügungen gegen Zugangsvermittler (Access-Provider) betreffend derartige Webseiten unterbunden werden können.

Der OGH hatte das Revisionsrekursverfahren bereits im Mai 2017 bis zur Entscheidung des EuGH über einen niederländischen Parallelfall unterbrochen. Nachdem diese Entscheidung zwischenzeitlich ergangen ist und die Antragstellerin einen Fortsetzungsantrag gestellt hat, wurde das Verfahren fortgesetzt.

Entscheidung:

Der OGH gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge und stellte die einstweilige Verfügung des Erstgerichts wieder her. Aus der Begründung:

Das Bereitstellen und Betreiben einer BitTorrent-Plattform mit dem Zweck des Online-Filesharing unter den Nutzern dieser Plattform ist eine den Urhebern vorbehaltene „öffentliche Wiedergabe“. § 18a UrhG, der Art 3 InfoRL innerstaatlich umsetzt, gibt dem Urheber das ausschließliche Recht, das Werk der Öffentlichkeit drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise zur Verfügung zu stellen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.

Wer unbefugt Sprachwerke, Lichtbilder oder Filmwerke in einen Internetauftritt zum interaktiven Abruf eingliedert, verstößt gegen das Verwertungsrecht des § 18a UrhG. Der Öffentlichkeitsbegriff stellt dabei nach der Rechtsprechung des OGH auch auf eine sukzessive Öffentlichkeit, bei der die Betrachtung der Anzahl der Nutzer über einen längeren Zeitraum erfolgt. Ebenso wird in der Rechtsprechung des EuGH ein Eingriff in Urheberrechte durch Zugänglichmachen im Internet auch dann bejaht, wenn dieser Zugang derart ausgestaltet ist, dass Nutzer an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl auf die geschützten Werke zugreifen können.

Im erwähnten Parallelfall gelangte der EuGH zum Ergebnis, dass der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ auch die Bereitstellung und das Betreiben einer Filesharing-Plattform im Internet erfasst, die durch die Indexierung von Metadaten zu geschützten Werken und durch das Anbieten einer Suchmaschine den Nutzern dieser Plattform ermöglicht, diese Werke aufzufinden und sie im Rahmen eines Peer-to-peer-Netzes zu teilen.

Mit einer ähnlichen Frage befasste sich der EuGH zuletzt auch, als er zu beantworten hatte, ob eine Linksetzung, bei der Nutzer, die auf den Link klickten, zu einer weiteren Seite verbunden wurden, auf der urheberrechtlich geschützte Nacktfotos der Zeitschrift Playboy zum Download zur Verfügung standen, eine „öffentliche Wiedergabe“ iSd Art 3 der RL 2001/29/EG ist. Diese Frage wurde bejaht. Die Ähnlichkeit der technischen Vorgehensweise in diesem Fall zu BitTorrent-Plattformen liegt darin, dass die Betreiber der Webseite in beiden Fällen selbst keine urheberrechtlich geschützten Werke zur Verfügung stellten, sondern nur weiterführende Hinweise zu Seiten vermittelten, auf denen die geschützten Werke zur Verfügung standen.

Zusammenfassend steht es somit der Beurteilung eines Internet-Sachverhalts als „öffentliche Wiedergabe“ nicht entgegen, dass vom Handelnden selbst kein urheberrechtlich geschütztes Material abrufbar gehalten oder übertragen wird. Es genügt vielmehr das technische Erleichtern oder Fördern der Urheberrechtsverletzung, wenn die sonstigen entsprechenden Tatbestandselemente vorliegen und sich der Betroffene bewusst war (oder es ihm zumindest bewusst hätte sein müssen), dass er einen Beitrag zur Urheberrechtsverletzung leistet. Ein urheberrechtlicher Unterlassungsanspruch besteht auch gegen Vermittler, die einen Beitrag zu einer Rechtsverletzung im Internet leisten. Sobald ein Vermittler aufgrund einer Abmahnung Kenntnis von einer Verletzungshandlung hat, stehen ihm die Haftungsausschlüsse des ECG nicht mehr zu.

Die Frage des Eingriffs einer Sperrverfügung in die Grundrechte von Access-Providern stellt sich vor allem dann, wenn auf der zu sperrenden Webseite auch legale Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Werden hingegen auf einer Webseite nur oder nahezu ausschließlich urheberrechtlich geschützte Werke zur Verfügung gestellt, ist kaum eine Abwägung erforderlich, weil diesfalls eine Sperre nicht unverhältnismäßig in das Recht der Nutzer auf Zugang zu Informationen eingreifen würde.