OGH-Entscheidung vom 26.9.2017, 4 Ob 81/17s

Sachverhalt:

Ein Berufsfotograf fertigte ein Lichtbild von einem 1982 erschossenen Wilderer an. In einer TV-Reportage wurde auch die Lebensgeschichte dieses Wilderers behandelt. In dieser Sendung wurde das vom Kläger hergestellte Lichtbild des Wilderers mindestens 13 mal eingeblendet, und zwar ohne den Fotografen als Urheber zu nennen. Der Fotograf hat der Beklagten (einem Privatfernsehsender) bzw dem Bruder keine Werknutzungsrechte an dem Lichtbild übertragen.

Der Kläger begehrte, die Beklagte schuldig zu erkennen, es zu unterlassen, Lichtbilder ohne Werknutzungsbewilligung hiefür sowie ohne Bezeichnung des Urhebers zu veröffentlichen. Weiters begehrte der Kläger die Leistung von 1.320 EUR sowie die Urteilsveröffentlichung. Es liege kein zulässiges „Bildzitat“ vor.

Die Beklagte wendete ein, die Veröffentlichung sei im Rahmen eines zulässigen Bildzitats erfolgt. Dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch stehe auch das durch Art 10 EMRK geschützte Recht der freien Meinungsäußerung entgegen.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben dem Unterlassungsbegehren und dem Leistungsbegehren statt. Der OGH lies die Revision der Beklagten zu, hielt sie jedoch für unberechtigt. Aus der Begründung:

Gemäß § 74 Abs 1 UrhG steht das Leistungschutzrecht an Lichtbildern dem Hersteller zu. Dieses Schutzrecht ist ua durch die in §§ 42e (unwesentliche Beiwerke) und 42f UrhG (Zitate) normierten freien Werknutzungen begrenzt.

In Österreich gab es vor dem Inkrafttreten der §§ 42e und 42f UrhG keine gesetzlich geregelte freie Werknutzung des „unwesentlichen Beiwerks“. Die Rechtsprechung wendete § 54 Abs 1 Z 3a UrhG aF (wonach es zulässig war, einzelne erschienene Werke der bildenden Künste in einem die Hauptsache bildenden wissenschaftlichen Werk zu vervielfältigen) analog auch auf Fälle an, in denen das zitierende Medium kein wissenschaftliches Werk war, allerdings beschränkt auf einen durch den Zweck gebotenen Umfang, weil das Recht des Urhebers nicht stärker beeinträchtigt werden darf, als es die Ausübung der im Interesse der geistigen Kommunikation eingeräumten Zitierfreiheit erfordert.

Die beanstandeten Eingriffe in das vom Kläger wahrgenommene Ausschließungsrecht erfolgten vor Inkrafttreten der UrhG-Novelle 2015. Auf Basis der bis dahin geltenden Rechtslage und der dazu ergangenen Rechtsprechung lässt sich eine freie Werknutzung des klagsgegenständlichen Lichtbilds durch die Beklagte in Form eines zulässigen Bildzitats nicht rechtfertigen, diente das Lichtbild doch bloß dazu, den Inhalt der TV-Reportage der Beklagten zu illustrieren, sodass ihm keine Zitat- oder Belegfunktion zukam.

Die für den Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr verlangt aber, dass das beanstandete Verhalten nicht nur nach alter, sondern auch auf Basis der neuen Rechtslage verboten ist. Der Beklagte darf nämlich nicht zu einer Unterlassung verurteilt werden, zu der er bei richtiger Auslegung des materiellen Rechts zum Zeitpunkt der Urteilsfällung nicht (mehr) verpflichtet ist.

Zweck der Bestimmung des § 42e UrhG ist, zu verhindern, dass die Zustimmung des Rechteinhabers eingeholt werden muss, wenn der Schutzgegenstand nur zufällig oder beiläufig und ohne Bezug zum eigentlichen Gegenstand der Verwertungshandlung genutzt wird und deshalb seine Interessen nicht berührt werden. Um „unwesentlich“ iSd § 42e UrhG zu sein, muss das Beiwerk ein Gegenstand sein, dem noch weniger als geringe oder untergeordnete Bedeutung zukommt.

Im vorliegenden Fall sah der OGH in der Wiedergabe des Lichtbilds des Wilderers kein unwesentliches Beiwerk iSd § 42e UrhG. Das Lichtbild zeigt jene Person, um die sich der Beitrag im Wesentlichen dreht, und es wird absichtlich (wiederholt) in das Werk einbezogen, erfüllt darin einen dramaturgischen Zweck, unterstreicht die Wirkung bzw die Aussage des Beitrags und ist wohl auch stimmungsbildend.

Die Wiedergabe des Lichtbilds fällt auch nicht unter das Zitatrecht nach § 42f UrhG. Ein nach § 42f UrhG zulässiges Bildzitat muss erkennbar der Auseinandersetzung mit dem übernommenen Werk dienen, etwa als Beleg oder Hilfsmittel der eigenen Darstellung. Es muss eine innere Verbindung zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt werden. Zu fragen ist immer, ob der Zitatzweck nicht auch anders gleichermaßen erreicht werden hätte können, zB durch Einholung einer Zustimmung des Rechteinhabers zur Übernahme des Schutzgegenstands oder durch dessen Darstellung mit eigenen Worten.

Es entsprach bereits vor Einführung des § 42f UrhG der gefestigten Rechtsprechung, dass es Voraussetzung für die Zulässigkeit der Veröffentlichung von Lichtbildern als Bildzitat ist, dass das in einem Bericht jeweils wiedergegebene Bild Zitat- und Belegfunktion hatte und nicht nur dazu diente, die Berichterstattung zu illustrieren, um so die Aufmerksamkeit der Leser auf den Bericht zu lenken. An dieser Rechtsprechung hielt der OGH auch nach Einführung des § 42f UrhG fest.

Im vorliegenden Fall hatte die wiederholte Einblendung des Lichtbilds lediglich Illustrationsfunktion für die Berichterstattung. Eine Belegfunktion oder inhaltliche Auseinandersetzung mit der Reportage war nicht erkennbar.

Der OGH befand daher, dass der Unterlassungsanspruch des Klägers sowie der Schadenersatzanspruch zu Recht besteht. Der Revision wurde nicht Folge gegeben.