OGH-Entscheidung vom 26.9.2017, 4 Ob 156/17w

Sachverhalt:

Die Streitparteien betreiben Werbeagenturen und stehen miteinander ständig im Wettbewerb. Im Jahr 2009 nahmen beide an der Ausschreibung des BMVIT für eine Kampagne zum Thema „Alkohol im Straßenverkehr“ teil. Dabei präsentierten sie in zwei Bieterrunden Vorschläge für eine Werbekampagne, darunter Slogans und Werbespots. Das zweite, überarbeitete Konzept der beklagten Partei stimmte in den wesentlichen Gestaltungselementen mit dem Werbekonzept der klagenden Partei überein. Das BMVIT wurde darüber informiert, dennoch erhielt die beklagte Partei den Zuschlag.

Die klagende Partei sah im Konzept der Beklagten eine glatte Übernahme der eigenen Arbeitsergebnisse und klagte auf Unterlassung.

Die beklagte Partei wandte ein, sie habe keine Kenntnis vom Kampagnenvorschlag der klagenden Partei gehabt und diesen auch nicht nachgeahmt.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Begehren ab. Das Berufungs- und Rekursgericht gab den dagegen erhobenen Rechtsmitteln der klagenden Partei Folge, hob das Urteil und den Beschluss auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es bejahte den urheberrechtlichen Werkcharakter der Umsetzung der Vorgaben des BMVIT durch die klagende Partei. Die beklagte Partei habe nach dem Gesamteindruck das im Werbespot der klagenden Partei entwickelte Gestaltungskonzept übernommen. Bei den Unterschieden zwischen den Werbespots handle es sich um bloße Abweichungen ohne wesentlichen originellen Beitrag.

Der Oberste Gerichtshof wies die Rechtsmittel der beklagten Partei mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. Aus der Begründung:

Ob die Werbemittel der klagenden Partei eine eigentümliche geistige Schöpfung darstellen, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wirft daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Bejahung des Werkcharakters durch das Berufungsgericht sah der OGH im Hinblick auf die eigenartige konkrete Umsetzung der Vorgabe der BMVIT als vertretbar an.

Im Plagiatsstreit entscheidet allein die Übereinstimmung zwischen dem Original und dem Verletzungsgegenstand im schöpferischen, also in jenem Teil des Originals, das diesem das Gepräge der Einmaligkeit gibt. Der OGH stimmte der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zu, dass das zweite Konzept der beklagten Partei frappierende Ähnlichkeiten mit jenem der klagenden Partei im allein relevanten Bereich der wesentlichen Gestaltungselemente zeigte.

Im Fall einer Doppelschöpfung können beide Urheber die Rechte an unabhängig geschaffenen Werken nebeneinander und unabhängig voneinander in Anspruch nehmen. Mit der Frage der Beweislast bei behaupteter Doppelschöpfung hat sich der OGH jedoch bereits in einer früheren Entscheidung befasst: Demnach bewirkt die Priorität eines Werks im Hinblick auf die typischen Geschehensabläufe einen prima facie Beweis dafür, dass es sich bei der späteren Schöpfung um eine Entlehnung handelt. Somit hat derjenige, der sich auf die Doppelschöpfung beruft, den Anscheinsbeweis gegen sich, dass er zu dem Werk durch das ältere inspiriert worden ist, dh tatsächlich keine Doppelschöpfung vorliegt.