OGH-Entscheidung vom 22.12.2016, 6 Ob 209/16b

Sachverhalt:

In einer Tageszeitung wurde ein Bericht über den Drogentod des Sohns des Klägers veröffentlicht. Neben einem Bild einer Drogenspritze wurde auch ein Lichtbild des Sohnes veröffentlicht, sein Namen mit Vornamen und „Sch.“ abgekürzt und berichtet, dass er in im Malerbetrieb seines Vaters gearbeitet habe.

Der Kläger begehrt die Unterlassung der Berichterstattung unter Verwendung eines Lichtbildes seines Sohnes oder sonstiger identifizierender Informationen sowie einen ideellen Schadenersatz.

Entscheidung:

Erst- und Berufungsgericht gaben der Klage statt. Aus der Verletzung des Persönlichkeitsrechts eines Verstorbenen könne zwar ein Angehöriger noch keinen Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden ableiten; der Kläger sei aber im vorliegenden Fall durch das inkriminierte Geschehen selbst in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt, weil durch den Hinweis im Artikel, dass der Drogentote zuletzt im Malerbetrieb seines Vaters gearbeitet habe, zwischen dem Kläger und dem Drogentod seines Sohnes redaktionell eine Verbindung geknüpft wurde. Ein sachlicher Grund für diese Erwähnung sei nicht ersichtlich.

Der OGH lies die Revision der Beklagten zu. Aus der Begründung:

Bei einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch eine Medienberichterstattung können Schadenersatzansprüche wegen Verletzung des Rechts vom eigenen Bild nach § 78 Abs 2 UrhG neben medienrechtlichen Ansprüchen nach §§ 6 f MedienG geltend gemacht werden. Aus § 16 ABGB und § 78 UrhG ist ein postmortales Persönlichkeitsrecht abzuleiten. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts setzt die Namensnennung bzw eine die Identifizierung ermöglichende Berichterstattung voraus. Dabei richtet sich die Frage, ob Angaben veröffentlicht werden, die geeignet sind, bei einem nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis zum Bekanntwerden der Identität des Betroffenen zu führen, nach den im Einzelfall verbreiteten Angaben. Im vorliegenden Fall wurde der Sohn des Klägers und auch der Kläger selbst durch die Bildveröffentlichung, den Vornamen und die Abkürzung des Nachnamens sowie den Hinweis auf den in der Gemeinde gelegenen Malerbetrieb des Vaters für einen größeren Personenkreis individualisiert.

Zu den Persönlichkeitsrechten im Sinne des § 16 ABGB gehört auch der Bildnisschutz nach § 78 UrhG. Bildnisse von Personen dürfen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten oder, falls er gestorben ist, ohne die Veröffentlichung gestattet oder angeordnet zu haben, eines nahen Angehörigen verletzt würden.

Die nach § 78 UrhG gebotene Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung schlägt bei einem im Kern wahren Begleittext gewöhnlich zugunsten des Mediums aus. Dies gilt aber uneingeschränkt nur für Lichtbilder, die an sich unbedenklich sind, das heißt den Abgebildeten nicht entstellen oder Geschehnisse aus seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zeigen. Wenn im vorliegenden Fall in dem inkriminierten Artikel davon die Rede war, dass der Sohn des Klägers in die Drogenszene abgedriftet war und an einer Drogen-Party teilgenommen hatte, handelt es sich um Umstände aus seinem höchstpersönlichen Lebensbereich, sodass die Veröffentlichung des Lichtbildes des Sohnes sowie die Preisgabe von Informationen zu seiner Identität unzulässig war.

Bei Geltendmachung der Ansprüche durch einen nahen Angehörigen kommt es jedoch auf dessen Interessen an. Diese Interessen werden aber im Regelfall schon dann beeinträchtigt sein, wenn die Interessenabwägung zu Lebzeiten des Betroffenen zu dessen Gunsten ausgegangen wäre. Der OGH hielt damit die Stattgebung der Unterlassungsansprüche für gerechtfertigt.

Zur Frage, ob Angehörige aus § 78 UrhG bzw der Verletzung postmortaler Persönlichkeitsrechte auch Schadenersatzansprüche für ideelle Schäden ableiten können, gab es bislang jedoch noch keine OGH-Rechtsprechung.

Der OGH kam im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch Angehöriger auf Ersatz immaterieller Schäden aus einer postmortalen Persönlichkeitsverletzung ausgeschlossen ist, weil beim Verstorbenen kein Gefühlsschaden eingetreten ist. Schadenersatz für die besondere persönliche Kränkung nach § 87 Abs 2 UrhG gebührt nur dem verletzten Abgebildeten selbst.

Der OGH prüfte daher, ob durch die Berichterstattung unmittelbar in das Persönlichkeitsrecht des Klägers eingegriffen wurde. Im vorliegenden Fall wurde lediglich erwähnt, dass der Sohn des Klägers im väterlichen Betrieb gearbeitet hat. Der Name des Klägers wurde nicht genannt; dieser wurde auch nicht abgebildet. Diese bloße Bezugnahme auf den Arbeitsplatz des Sohns des Klägers begründet aber noch keine das Persönlichkeitsrecht des Klägers verletzende Bezugnahme.