OGH-Entscheidung vom 12.7.2016, 4 Ob 7/16g

Sachverhalt:

Der Kläger erhielt ein an ihn persönlich adressiertes Schreiben. Darin heißt es auszugsweise:

„Im Rahmen einer von Michelle Devon durchgeführten großen Geldtransaktion erhalten Sie, Herr … [Kläger], obligatorisch die folgenden, auf Ihren Namen ausgestellten Bankschecks:

  • einen 1. Scheck in Höhe von 28.000 EUR
  • einen 2. Scheck, dessen Höhe Sie selbst bestimmen sollten

Bitte tragen Sie für den zweiten gewonnenen Scheck den gewünschten Betrag selbst ein. … (Der Betrag sollte zwischen 10.000 und 50.000 EUR betragen). Er ist bereits auf Ihren Namen ausgestellt und von Michelle Devon unterzeichnet. Diese beiden Schecks gehören tatsächlich Ihnen!

Der Kläger, der schon öfter Gewinnzusendungen an seine Adresse zugesandt bekommen hatte, füllte den „2. Scheck“ mit 50.000 EUR aus. Das zurückzusendende „Annahmeformular“ füllte er nicht aus. Auf dem Schreiben sowie auf dem beigeschlossenen Rücksendekuvert war als Empfängerin desselben „Michelle Devon, Postfach 27 …, Holland“ angeführt. Der Kläger schickte die Schecks nicht an die auf dem Rücksendekuvert angeführte Adresse und bestellte auch keine Waren. Stattdessen übergab er sämtliche erhaltenen Unterlagen an seinen Rechtsanwalt.

Das genannte Postfach in Holland war von der Beklagten, einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in der Schweiz, angemietet worden. Die Beklagte erbringt Logistik-Dienstleistungen für andere Unternehmen. Sie hat mit einer Schwestergesellschaft einen „Dienstleistungsvertrag“ (im Wesentlichen über Postdienstleistungen, Retourenabwicklung, Unterstützung im Marketing und Vertrieb) geschlossen. Ihre Schwestergesellschaft hat ihrerseits eine Vereinbarung mit einem dritten Unternehmen mit Sitz in Singapur abgeschlossen, worin sie sich verpflichtet, Postfächer einzurichten, diese zu leeren und den Inhalt nach Singapur weiterzuleiten.

Der Kläger begehrte von der Beklagten die Zahlung von 78.000 EUR.

Gemäß § 5c KSchG haben Unternehmer, die Gewinnzusagen oder andere vergleichbare Mitteilungen an bestimmte Verbraucher senden und durch die Gestaltung dieser Zusendungen den Eindruck erwecken, dass der Verbraucher einen bestimmten Preis gewonnen habe, dem Verbraucher diesen Preis zu leisten; er kann auch gerichtlich eingefordert werden.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Beklagte sei nicht passiv legitimiert, weil sie nicht „Senderin“ der Gewinnzusage an den Kläger sei, obwohl die Postfachadresse den einzigen konkreten Anhaltspunkt für die hinter der offenbar fiktiven Person Michelle Devon stehende Organisation bilde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sei zwar von einem weiten Versenderbegriff in § 5c KSchG auszugehen, dennoch sei die Passivlegitimation der Beklagten zu verneinen. Sie sei für den Durchschnittsverbraucher keineswegs als Versender der Gewinnzusage erkennbar gewesen.

Auch der OGH gab dem Kläger nicht Recht. Aus der Begründung:

Hauptzweck des § 5c KSchG ist es, die verbreitete aggressive Wettbewerbspraxis der Unternehmer abzustellen, vermeintliche Gewinnzusagen persönlich adressiert an Verbraucher zu verschicken, um diese zur Warenbestellung zu motivieren. Der Anspruch auf Auszahlung des Gewinns, der nicht immer einbringlich zu machen sein wird, ist also Mittel zum Zweck zur Durchsetzung von überindividuellen wirtschaftspolitischen Interessen. Der Anspruch entsteht mit der Zusendung des Unternehmers, erfordert also weder eine ausdrückliche noch eine konkludente Annahme durch den Verbraucher und ist somit ein spezieller, gesetzlich normierter, vertraglicher Erfüllungsanspruch sui generis.

Der Begriff „Senden“ ist im gegebenen Zusammenhang nicht als die rein faktische bzw physische Tätigkeit des Kuvertierens, des Frankierens und der Übergabe an den Beförderer bzw die Post zu verstehen, sondern es bedarf eines gewissen (engeren) Zusammenhangs mit der aggressiven Werbepraxis. „Sender“ einer Gewinnzusage ist derjenige Unternehmer, den ein durchschnittlicher Verbraucher in der Lage des Empfängers einer Gewinnzusage als Versprechenden ansieht. Es ist aber nicht jeder als „Sender“ im Sinn von § 5c KSchG anzusehen, der sich an der Übermittlung der Gewinnzusage oder dem damit regelmäßig verknüpften Versandhandelsgeschäft beteiligt, denn sonst würde auch das Postunternehmen darunter fallen.

Im vorliegenden Fall war für den Kläger ersichtlich, dass eine gewisse „Michelle Devon“ Korrespondenz- bzw Vertragspartnerin ist. Dabei handelt es sich aber um eine Phantasiefigur. Wer hinter dieser steht, ist aus der dem Kläger zugesandten Gewinnzusage nicht ersichtlich.

Die Beklagte hat jedoch bloße Logistik-Dienstleistungen erbracht und auf die Gewinnzusage des Unternehmens aus Singapur an den Kläger keinen Einfluss genommen hat. Aufgrund der Offenlegung der Beklagten, in welchem – indirekten – vertraglichen Verhältnis sie mit dem Absender- bzw Herkunftsunternehmen der Gewinnzusage steht, liegt auch keine Verschleierung der verantwortlichen „Hintermänner“ vor.

Die Beklagte haftet als bloße Erbringerin von Logistik-Dienstleistungen nicht für die Auszahlung des zugesagten Gewinns.