OGH-Entscheidung vom 30.3.2015, 4 Ob 252/15k

Sachverhalt:

Die Beklagte betreibt eine „Akademie“, in deren Seminaren und Vorträgen vor allem über die Erhaltung und das Wiedererlangen von Gesundheit informiert wird. Auf der zugehörigen Homepage wurde unter anderem eine „Diplom-Ausbildung: TCM, Akupressur“ angeboten. Dieser Lehrgang beinhaltet fünf Kurse, wobei auch die Anwendung der Schüssler-Salze gelehrt wird. Das Lehrangebot richtet sich an „Energetiker, Tierenergetiker, Ärzte, Tierärzte, Therapeuten und interessierte Laien“.

Die Klägerin ist die Tierärztekammer. Sie begehrte mit ihrer Klage, die Beklagte zur Unterlassung der Ankündigung und/oder Durchführung von Ausbildungen und Seminaren über TCM und/oder Schüssler-Salze zur Behandlung von Tieren zu verhalten. Nach § 1 iVm § 12 TierärzteG seien die Untersuchung und Behandlung von Tieren sowie Vorbeugemaßnahmen medizinischer Art gegen Erkrankungen von Tieren und die Verordnung und Verschreibung von Arzneimitteln für Tiere den Tierärzten vorbehalten.

Entscheidung:

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss.

Der OGH befand den Revisionsrekurs zur Klärung der Rechtslage zwar zulässig; aber nicht berechtigt. Aus der Begründung:

Nach § 1 Abs 1 TierärzteG ist der Tierarzt als Angehöriger eines Gesundheitsberufs zur Ausübung der Veterinärmedizin berufen. Die Ausübung des tierärztlichen Berufs ist ausschließlich den Tierärzten vorbehalten. § 12 Abs 1 TierärzteG enthält eine Auflistung jener Tätigkeiten, die unter den Tierärztevorbehalt fallen.

Demgegenüber erfasst der Ärztevorbehalt in der Humanmedizin nach § 2 Abs 2 ÄrzteG „jede auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen begründete Tätigkeit, die unmittelbar am Menschen oder mittelbar für den Menschen ausgeführt wird“. Der OGH vertritt hier in stRsp die Ansicht, dass die Abgrenzung zu nicht dem Ärztevorbehalt unterfallenden Behandlungen objektiv nach der wissenschaftlichen Begründung der angewandten Methoden und ihrer Zugehörigkeit zur medizinischen Wissenschaft vorzunehmen ist. Der Begriff der „medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse“ ist zwar nicht mit dem der Schulmedizin gleichzusetzen. Wissenschaftlich fundiert können auch Methoden sein, die (noch) nicht Eingang in die Schulmedizin gefunden haben, wie die Homöopathie und die Akupunktur. Eine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Tätigkeit wird aber nur ausgeübt, wenn die angewandte Methode ein gewisses Mindestmaß an Rationalität aufweist und für ihre Durchführung das typischerweise durch das Medizinstudium vermittelte umfassende Wissen erforderlich ist.

Eine vorbehaltene Tätigkeit liegt nur dann nicht vor, wenn dafür keinerlei medizinisches Fachwissen erforderlich ist. Sie liegt aber jedenfalls dann vor, wenn – unabhängig von der Rationalität – mit dem Eingriff eine erhebliche Gesundheitsgefährdung verbunden ist.

Diese Rechtsprechung wurde auch für den Tierärztevorbehalt übernommen. Die moderne Veterinärmedizin beruht (wie auch die Humanmedizin) auf wissenschaftlicher, medizinischer Forschung. Ist der Tierarzt also nach § 1 Abs 1 TierärzteG zur „Ausübung der Veterinärmedizin berufen“, fällt darunter jede tierheilkundliche Tätigkeit, die auf wissenschaftlich- medizinischer Forschung beruht. Deren Gebiete können sich zwar im Wandel der Zeit und mit fortschreitender Erkenntnis ändern, weshalb der Gesetzgeber von einer (zu engen) Definition abgesehen hat. Dass er damit zum Ausdruck bringen wollte, auch pseudowissenschaftliche Methoden anerkennen und dem Tierärztevorbehalt unterstellen zu wollen, ist aber nicht ersichtlich. Dafür spricht auch, dass § 3 Abs 2 Z 3 TierärzteG zur Ausübung der tierärztlichen Tätigkeit ein abgeschlossenes Diplomstudium an einer veterinärmedizinischen Fakultät voraussetzt, eine wissenschaftliche Ausbildung mithin erforderlich ist.

Eindeutig pseudowissenschaftliche Methoden wie das „Auspendeln“ oder „Körperenergiemessungen mittels Einhandrute“ durch eine „Natur- und Geistheilerin“ unterfallen insofern nicht dem (Tier-)Ärztevorbehalt und dürfen daher auch von Nichttierärzten angeboten werden.

Im gegenständlichen Fall kündigt die Beklagte aber nicht nur die Ausbildung zur Anwendung pseudowissenschaftlicher Methoden an, sondern auch solche, die in den Tierärztevorbehalt fallen:

Die bisherige Rechtsprechung zur Humanmedizin ist zu dieser Frage sehr kasuistisch. Während die oben genannten Beispiele sowie die „AtlasProfilaxe-Methode“ und die Bestrahlung mit einer Mineralienlampe oder das Auflegen von Blütenessenzen gemäß älterer Rechtsprechung als pseudowissenschaftlich bezeichnet wurden, ist dies bei der Homöopathie nicht der Fall. Die Beklagte lehrt nach den Feststellungen TCM (Traditionelle Chinesische Medizin). TCM umfasst als Überbegriff zumindest folgende Gebiete: Akupunktur, Akupressur; Chinesische Kräutertherapie; Tuina und Shiatsu; Qi Gong, Tai Qi; Chinesische Ernährungslehre nach den fünf Elementen. Die Österreichische Ärztekammer verleiht dafür nach Absolvierung eines Ausbildungslehrgangs Diplome. Es besteht daher kein Zweifel daran, dass es sich bei TCM um eine auf medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen gegründete Tätigkeit handelt.

Bei den (im Lehrangebot der Beklagten ebenfalls enthaltenen) Schüssler-Salzen handelt es sich um eine dem homöopathischen Bereich entlehnte Behandlung mit Mineralstoffen nach Dr. Schüssler. Der älteren Rechtsprechung zur Homöopathie folgend ist auch die Therapie mit Schüssler-Salzen dem (Tier-)Ärztevorbehalt zu unterstellen.

Zusammenfassend hielt der OGH fest, dass die Beklagte mit der beanstandeten Ankündigung in den Vorbehaltsbereich der Tierärzte eingreift und damit einen Lauterkeitsverstoß durch Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG begeht.