OGH-Entscheidung vom 11.8.2015, 4 Ob 71/15t

Sachverhalt:

Die Klägerin und der Beklagte waren Gesellschafter einer Offenen Gesellschaft (OG). Gegenstand des Unternehmens war der Handel mit Mobiltelefonen, Computern und Zubehör sowie der Verkauf von Internetverträgen aller Anbieter. Im Gesellschaftsvertrag bzw zwischen den Streitteilen wurde kein Wettbewerbsverbot vereinbart.

Wegen gravierender Unstimmigkeiten mit der Klägerin kündigte der Beklagte die Gesellschaft am 22.12.2012 auf, wobei er der Meinung war, dass diese dadurch per 30.6.2013 aufgelöst werde. Die Beklagte erklärte mit Anwaltsschreiben vom 2.1.2013, dass sie die Kündigung gemäß der Kündigungsfrist und dem Kündigungstermin des Gesellschaftsvertrags per 31.12.2013 zur Kenntnis nehme, jedoch gedenke, die Gesellschaft unter Übernahme der Gesellschaftsanteile fortzusetzen.

Ab Anfang 2013 führte der Beklagte im gleichen Geschäftszweig wie die Gesellschaft ein eigenes Unternehmen und betreute mit früheren Mitarbeitern der Gesellschaft deren Kunden weiter. Mit rechtskräftigem Urteil des LG Eisenstadt vom 27.6.2013 wurde der Beklagte gemäß § 140 Abs 1 UGB wegen Verstoßes gegen das Wettbewerbsverbot nach § 112 Abs 2 UGB aus der OG ausgeschlossen.

Die Klägerin sah im Verhalten des Beklagten einen Verstoß gegen das gesetzliche Konkurrenzverbot. Der Beklagte habe systematisch und planmäßig in unlauterer und schmarotzerischer Weise Geschäftschancen der Klägerin auf sein Einzelunternehmen abgeleitet. Der Beklagte habe sich zwar nur bis zu seinem Ausscheiden als Gesellschafter jeder Geschäftstätigkeit im Geschäftszweig der Klägerin zu enthalten gehabt, die Verwertung von Geschäftschancen, die ihm in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafter bekannt geworden seien, sei jedoch unredlich und weiterhin wettbewerbswidrig. Neben einem entsprechenden Unterlassungsbegehren stellte die Klägerin auch ein Rechnungslegungsbegehren.

Entscheidung:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Da zwischen den Streitteilen kein über § 112 UGB hinausgehendes Wettbewerbsverbot vereinbart wurde, kam es rechtlich zu dem Schluss, dass den Beklagten über die Zeit nach seinem Ausschluss hinaus – auch nach dem UWG – keine Unterlassungspflichten mehr treffen. Daraus folge, dass er auch für die Zeit danach zu keiner Rechnungslegung mehr verpflichtet sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Das gesetzliche Wettbewerbsverbot nach § 112 Abs 1 UGB ende mit dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft. Es wäre ohne vertragliche Vereinbarung nicht sachgerecht und würde den Gesellschafter doppelt bestrafen, wenn ihm ein Wettbewerb zur Gesellschaft untersagt werde. Ein Abwerben von Kunden nach seinem Ausscheiden sei per se nicht lauterkeitswidrig gewesen.

Der OGH erachtete die ao. Revision der Klägerin als unberechtigt. Aus der Begründung:

Die Revision vertritt im Wesentlichen den Standpunkt, dass bei der Bestimmung der zeitlichen Dauer des gesetzlichen Wettbewerbsverbots des § 112 Abs 2 UGB auf jenen Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem die Gesellschaft bei ordentlicher Kündigung aufgelöst worden wäre, weil der Beklagte schuldhaft einen Ausschlussgrund gesetzt habe und deshalb vorzeitig durch Gerichtsurteil ausgeschlossen worden sei.

Selbst wenn man sich der Rechtsansicht der Klägerin anschließt und auch die Zeit zwischen dem Ausschluss des Beklagten aus der Gesellschaft und dem ursprünglichen (fiktiven) Kündigungstermin (also bis 31.12.2013) als vom Wettbewerbsverbot umfasst sieht, wäre für die Klägerin hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs nichts gewonnen. Der Beklagte kann nach allgemeinen Grundsätzen nämlich nicht zu einer Unterlassung verhalten werden, zu der er nach materiellem Recht nicht verpflichtet ist. Dabei ist, soweit es auf tatsächliche Umstände ankommt, auf den Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz abzustellen (4.4.2014). Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte auch nach dem Vorbringen der Klägerin nicht mehr an das Verbot gemäß § 112 Abs 2 UGB gebunden.

Das Unterlassungsbegehren bezog sich somit schon zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz ausschließlich auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, sodass ihm der Beklagte schon damals nicht mehr entsprechen konnte bzw gar keine Möglichkeit für den Beklagten bestand, durch weitere Rechtsgutverletzungen gegen ein (nur für die Vergangenheit) stattgebendes Urteil zu verstoßen. Die Vorinstanzen haben das auf § 112 Abs 2 UGB gestützte Unterlassungsbegehren somit zutreffend verneint.