EuGH-Urteil vom 4.6.2015, Rechtssache C‑195/14

Sachverhalt:

Das deutsche Unternehmen Teekanne GmbH & Co. KG vertreibt einen Früchtetee unter der Bezeichnung „Felix Himbeer-Vanille Abenteuer“. Die Verpackung weist eine Reihe von Elementen verschiedener Größe, Farbe und Schriftart, u. a. Abbildungen von Himbeeren und Vanilleblüten auf. Ebenso die Angaben „Früchtetee mit natürlichen Aromen“ und „Früchteteemischung mit natürlichen Aromen – Himbeer-Vanille-Geschmack“ sowie die Angabe „nur natürliche Zutaten“. Der Tee enthält jedoch tatsächlich keine Bestandteile oder Aromen von Vanille oder Himbeere, sondern lediglich „natürliches Aroma mit Vanillegeschmack“ […] „natürliches Aroma mit Himbeergeschmack“, etc.

Der deutsche Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände sah darin eine Irreführung der Verbraucher und klagte auf Unterlassung. Der deutsche BGH legte dem EuGH schließlich (zusammengefasst) die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Etikettierung des Früchtetees geeignet ist, den Käufer irrezuführen, weil sie den Eindruck des Vorhandenseins von Himbeer- und Vanilleblütenzutaten oder aus diesen Zutaten gewonnenen Aromen erwecken könnte, obwohl solche Zutaten oder Aromen darin nicht vorhanden sind.

Entscheidung:

Der EuGH führte zunächst grundsätzlich aus, dass eine detaillierte Etikettierung über die genaue Art und die Merkmale der Erzeugnisse es dem Verbraucher ermöglichen soll, eine sachkundige Wahl zu treffen. Die Etikettierung darf nicht geeignet sein , den Käufer irrezuführen, und zwar insbesondere nicht über die Eigenschaften des Lebensmittels, namentlich über seine Art, Identität, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung oder Herkunft und Herstellungs- oder Gewinnungsart. Hinzu kommt, dass nach Art. 16 der Lebensmittelbasisverordnung Nr. 178/2002, die Kennzeichnung, Werbung und Aufmachung von Lebensmitteln auch in Bezug auf ihre Form, ihr Aussehen oder ihre Verpackung, die verwendeten Verpackungsmaterialien, die Art ihrer Anordnung und den Rahmen ihrer Darbietung sowie die über sie verbreiteten Informationen, die Verbraucher nicht irreführen dürfen.

Das nationale Gericht muss bei der Beurteilung der Frage, ob eine Etikettierung den Käufer irreführen kann, hauptsächlich auf die mutmaßliche Erwartung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abstellen, die dieser in Bezug auf den Ursprung, die Herkunft und die Qualität des Lebensmittels hegt. Verbraucher, die sich in ihrer Kaufentscheidung nach der Zusammensetzung des Erzeugnisses richten, würden zunächst das Verzeichnis der Zutaten lesen. Der Umstand, dass das Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisses angebracht ist, kann jedoch für sich allein nicht ausschließen, dass die Etikettierung geeignet sein könnten, den Käufer irrezuführen. Denn das Verzeichnis der Zutaten, auch wenn es richtig und vollständig ist, kann in bestimmten Fällen ggf. nicht geeignet sein, einen falschen oder missverständlichen Eindruck des Verbrauchers bezüglich der Eigenschaften eines Lebensmittels zu berichtigen. Lassen die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, insgesamt den Eindruck entstehen, dass dieses Lebensmittel eine Zutat enthält, die tatsächlich nicht darin vorhanden ist, ist eine solche Etikettierung daher geeignet, den Käufer über die Eigenschaften des Lebensmittels irrezuführen.

Zusammengefasst lautetet die Entscheidung des EuGH daher, dass es nicht mit der RL 2000/13 EG vereinbar ist, dass die Etikettierung eines Lebensmittels und die Art und Weise, in der sie erfolgt, durch das Aussehen, die Bezeichnung oder die bildliche Darstellung einer bestimmten Zutat den Eindruck des Vorhandenseins dieser Zutat in dem Lebensmittel erwecken können, obwohl sie darin tatsächlich nicht vorhanden ist und sich dies allein aus dem Verzeichnis der Zutaten auf der Verpackung des Lebensmittels ergibt.

Es ist in weiterer Folge jedoch Sache des BGH, die verschiedenen Bestandteile der Etikettierung des Früchtetees insgesamt zu prüfen, um im konkreten Fall eine etwaige Irreführung über das Vorhandensein von Himbeer- und Vanilleblütenzutaten im konkreten Fall festzustellen.